DENKBARS.NET
  • DenkBar
  • ProfilBar
  • SchreibBar
  • AltersBar
  • MachBar
  • BilderBar
  • FotoBar
  • KontaktBar
  • DankBar

SchreibBar


Ich schreibe für
knorrige Schwarzbuben und Schwarzmädels, 
für herbe Laufentaler und Laufentalerinnen
sowie für die herrlichen Urgesteine
aus Basel-West.

Lesen Sie nie eine Kolumne von mir,
wenn Sie schlecht drauf sind.

Das kommt nicht gut! 

December 20th, 2022

12/20/2022

0 Comments

 
Picture


Der Kreislauf der Natur

… oder bin ich eine Traube?
 
 
Wahrlich, wahrlich! Mein Frühling ist schon ewig vergangen und der Sommer hat sich weggeschlichen. Ich bin verblüht, welk und abgehärmt, wie meine wunderbaren Rebstöcke im Garten.

Es herbstet überall bei mir. In den Augen, in den Ohren, nur im Mund noch nicht, ausser an den Lotterzähnen. Die Glieder werden immer ungelenkiger; die Hände vergreifen sich immer öfter und die Füsse schlagen an jeder neugierigen Kante an. Das Gehirn schaut ungern zurück und vergisst immer mehr, zu was es eigentlich da ist. Die schönen Honigbienen haben mich verlassen. Ich sehe keine Drohnen mehr. Ausrangiert, Tempi passati! Vergangen, vergessen und beinah vorbei.
Ich fühle mich wie eine mehrjährige Pflanze, die sich fragt, ob sie wohl den nächsten Frühling nochmals erleben wird. Ob sie nach der langen, öden Durstzeit die Kraft nochmals findet, wieder aufzublühen; oder ob sie den Gang zur Grünabfuhr antreten muss. Von meinem Arbeitsplatz aus sehe ich unsere beiden Rebstöcke. Und die stehen abgemagert, mit abgewelkten Blättern nachdenklich in der herbstlichen Landschaft.

Ich fühle mich plötzlich eng verbunden mit ihnen. Es ist ihnen gleich ergangen wie mir. Sie waren stolz auf ihre Blüte, auf das von ihnen selbst Erschaffene und dann wurde es ihnen geklaut. Ihr Stolz, die Trauben wurden ihnen schonungslos abgekröpft. Sie wurden ohne ihr Einverständnis fremd angeeignet und wurden ausgequetscht bis zum Geht-nicht-mehr.

Machten den Jakobsweg in das Weinfass und harren nun der Dinge, die da kommen werden. Wenn es eine Gerechtigkeit gibt auf Erden, dann wäre dies eine glanzvolle Auferstehung als hochwertiger Spitzenwein. Auch ich musste lernen. Öfters kommt es anders, als man denkt.

Und das Leben schulte mich schonungslos. Mir erging es gleich wie der Traube. Intensiv durchlebter Frühling mit an Schluss auch regnerischen Tagen. Ein sehr schöner, oft gar zu heisser Sommer und ein nachtragender Herbst mit Donner und etlichen Gewittern. Wie bei der Rebe wurde auch mein Stolz und mein Wissen fremd annektiert. Ohne mein Einverständnis und ohne den gebührenden Dank.

Tönt etwas frustriert und verbittert. Ja, ich bin enttäuscht. Aber dies ist der Weg, der Pfad all unseres irdischen Daseins. Das liegt, wie wir so gerne sagen, in der Natur der Sache. Der Sinn des Lebens aller Pflanzen, aller Tiere und besonders der Menschen ist die Akzeptanz der Vergänglichkeit verbunden mit der Aufgabe, das Schöne und den inneren Frieden im Hier und Jetzt zu suchen. Das Leben führt jeden Menschen an seine Grenzen. Es ist ein Zickzack-Lauf zwischen den Extremen. Wirklichkeit-Illusion, gut-schlecht, auf-ab, lieb-böse, arm-reich, jung-alt, egoistisch-grosszügig, aufgeweckt-abgelöscht.

Vom Staatsanwalt zum Verteidiger, vom Stürmer zum Torwart. Vom Antizipieren zur Rückwärts-Orientierung. Von der Beweglichkeit zur Starre. Vom Wein zum Traubensaft, vom Espresso zum Milchkaffee. Vom Coca-Cola zum Mineralwasser, von der Treppe zum Lift und vom Kassenschrank zur Pillendose.

Und dann kommt der harte Winter, die Jahreszeit des Widerstands und der Beharrlichkeit. Der Winter, der manches Sein sterben lässt und scheinbar nichtwissend alles weiss zudeckt. Spätestens jetzt werde ich mir bewusst, was das Lebens ist. Ein steter Kreislauf der Natur. Auch die Mehrjährigkeit geht einmal zugrunde.

Ich bin vorbereitet. Den Trost suche ich meinem Endzeitgedicht:
 
Brille, Hörgerät und ein Verdauungsschnaps
Ein Gebiss im Glas und reinigende Corega Tabs
Ein verbrauchtes Gehirn, das nicht mehr denken will.
Alles wird ungelenk und es wird plötzlich still.
 
Starre Finger, die sich liebend vertippen
Lebensfreud kommt kaum mehr über meine Lippen
Der alte Freundeskreis ist diskret verschwunden
Neu bin ich mit dem Pflegepersonal verbunden
 
Salben, Pillen und Tinkturen im Überfluss
Verbände, Pflaster und ein grosser Bluterguss
Ein Schrittmacher, der das Herz unterstützen soll
Ja, auch das Altsein ist lebenswert und mega toll
 
Es gibt nichts, rein gar nichts zu bereuen oder zu betrauern. Ganz im Gegenteil! Ich jedenfalls bin stolz auf meinen, teilweise mit Tiefpunkten und Schwächephasen, aber doch ziemlich konsequent gelaufenen Lebensmarathon.

Vor nicht allzu langer Zeit sind meine Frau und ich auf die Zielgerade eingebogen. Und wir sind sicher, trotz etlichen, bitteren Stunden doch noch das letzte Band, das unerforschbare Ziel durchkreuzen zu können. Wenigstens dieser Triumph sei uns allen gegönnt sein.
 
Dies war die letzte Kolumne. Ich möchte mich für Ihr Interesse an meinem Geschreibsel herzlich bei Ihnen bedanken. Sie hatten es mit mir in den letzten fünf Jahren nicht einfach gehabt. Das Präsentierte war zeitweise etwas schwer verdaulich, aber wir haben es ja alle gemeinsam überlebt. Ein grosser Dank geht auch an s’Blettli-Team, besonders an Petra Dürr und Christian Borer für die wunderbare und megatolerante Zusammenarbeit.
 
«Hebet’s guet, blibet gsund und läbesfroh. Zum letschte Mol, bye, bye!»

... und übrigens, um falschen Vermutungen vorzubeugen: Es geht mir derzeit richtig gut. Ich wollte als ehemaliger Heimleiter nur auf die Problematik des Alters aufmerksam machen.
Hier auf der SchreibBar geht es weiter.​

0 Comments



Leave a Reply.

    SchreibBar  

Proudly powered by Weebly
  • DenkBar
  • ProfilBar
  • SchreibBar
  • AltersBar
  • MachBar
  • BilderBar
  • FotoBar
  • KontaktBar
  • DankBar