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Ich schreibe für
knorrige Schwarzbuben und Schwarzmädels, 
für herbe Laufentaler und Laufentalerinnen
sowie für die herrlichen Urgesteine
aus Basel-West.

Lesen Sie nie eine Kolumne von mir,
wenn Sie schlecht drauf sind.

Das kommt nicht gut! 

Auszug des Schlottrians

3/19/2019

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Hurra der Lenz ist da!


Es sprosst und knospet wieder an den Stielen, an den Zweigen und den Ästen. Alles stösst und keimt. Die verdorrte, kahle Welt wird wieder grüner und etwas erträglicher. Der klirrende Frost flüchtet aus unseren erkalteten Herzen. Die Halstücher, die Handschuhe, die Ohrenschoner und der Muff wandern in das oberste Fach des Wandschranks und die Winterschuhe, der Schlitten, die Skier und die Snowboards  in den tiefen Keller. Der pflotschige Matsch in den Strassen verzieht sich in die Kanalisation und das glitzernde Firneis in den Boden. Selbst der Schnee verliert seine weisse Farbe und wird zum farblosen Rinnsal. Die Energiekosten treten den lang ersehnten Rückzug an, und die Schwedenöfen gähnen sich in den Sommerschlaf ein.
Jawohl, der Lenz ist da! Der langersehnte Frühling ist eingetroffen, voller Lust. Die Vögel zwitschern sich morgen früh wieder in den Tag hinein. Der Bärlauch spriesst an den Lüsselufern und die Hobbygärtner plündern die Setzlinge von der Beeren- bis zur Knollenpflanze. Das Bibbern im Schafpelz ist out und das Biowandern wieder in. Raus mit den Walkingstöcken! Man geht über Stock und Stein, über Naturwiesen in die nahen Wälder. Man saugt die Gesundheit der heimischen Scholle tief in die kaltgeschrumpfte Lunge ein. Die Männer produzieren wieder vermehrt Testosteron und plustern sich balzend auf. Vor allem die geschlechtsreifen Jungspunds wissen den wahren Wert der Solarenergie wieder zu schätzen. Ihr Mundwerk wird lockerer, ihre Augen werden schärfer und der Appetit begehrlicher.
Die Damen werden kauffreudiger und – auch ohne Tätowierungen - über der Haut wieder farbenfroher. Die feminine Welt wird dank Abmagerungskuren wieder stoffkürzer und hautenger. Frau stellt um auf die aktuellen Modefarben.  Die Kosmetikbranche boomt und die Düfte in den Warenhäusern werden anzüglicher und anmächeliger. Die Männer – sogar die altersangeschlagenen - lassen ihre Brillen wieder der aktuellen Sehschärfe anpassen. Das jugendliche Angebagger dräut und das ältliche Geglotze leuchtet aus den korrigierten Retrobrillen. Die steifen Glieder werden wieder etwas gelenkiger.
Oder ist es gar umgekehrt? Kann sein. Jedenfalls beginnt sich die naturgegebene Fauna saisongerecht durchzusetzen. Man geht auf Facebook, schaut sich um im Markt. Lotet plötzlich eigene Beziehungsprobleme, Beziehungsdefizite und Beziehungslöcher aus. Nichts stimmt mehr. Es wird ausgezogen. Frau und Mann wollen Neues erleben, zu neuen Ufern aufbrechen und merken meistens schon im Spätsommer, dass sie in einen Irrhafen eingelaufen sind. Auch die lockeren Gestade von Patchwork-Cities haben ihre Nachteile, vor allem wenn der Trott des Alltags eingezogen ist und man schon am Mienenspiel des Anderen feststellt, was man soeben schon wieder Falsches angestellt hat.
Uff, sorry! Scheinbar haben auch bei mir in den letzten Tagen zwei, drei Auslaufhormone die paar wenigen, verbliebenen Hirnzellen erreicht. Ist ja egal! Auch nicht mehr so wichtig. Hauptsache ich freue mich echt, dass ich nunmehr nicht nur den zweiten Frühling, sondern sogar den 72. Lenz erleben darf. Und das mit der tollen, tröstlichen Erkenntnis: der Mensch und seine Gewohnheiten lassen sich nur schwer verbiegen. Denn noch immer sömmert der Marroniere anfangs Frühling seinen alten Kastanienstand in einer verfallenen Italo-Baracke ein und startet wie seit eh und je sein kultiges Gelati-Gefährt. Mit Eigenkreationen wie Pistache, Strachiatella, Heidelbeere, Banane, Mandarine uaKm. (und anderen Köstlichkeiten mehr) beginnt er – der Jahreszeit vorauseilend - seine Saison als Gelataio.  „Fatto al mano; io, la  mia Specialità!“ Er sucht einen lauschigen Standplatz mit Schneeglöckchen oder Krokussen, mit Hyazinthen, Tulpen oder Narzissen, Primeln oder Stiefmütterchen. Hauptsache farbig, duftend; lebensfreudig, quickfidel und vor allem genussversprechend. Ein Kleinkinderkarussel in der Nähe und ein Biotop mit Schilf und beträchtlichem Seerosenpotential peppt die Standplatzgüte beträchtlich auf. Selbst die frustrierteste menschliche Sauerampfer kann diesem versöhnenden Frühlingscharme nicht entgehen. „Here comes the sun!“ - ein paradiesisches Lebensgefühl!
Ja, wenn Gott nicht einige Sendepausen eingebaut hätte,  z.B klimatisch: wenn es wieder zu regnen, zu stürmen oder in trüben Tagen gar zu schneien beginnt. Oder zwischenmenschlich: wenn der Kollege Essig nicht wäre; dafür die PTT statt die Poststellen die Warteschlangen  wegrationalisieren würde; wenn die medizinische Praxisassistentin im Endloslesesaal mal froh gelaunt einen Espresso servieren würde und die Coiffeuse aktuelle Glanz und Gloria-Heftli auflegen würde oder wenn gar der Pfarrer zur Abwechslung im Hochamt statt Gottes Wort zu verkünden mal einen Bibel-Rap singen würde. Ja, wenn; dann wären wir wirklich wunschlos glücklich! Aber leider müssen wir uns das Paradies auf Erden immer noch ehrlich und redlich verdienen und letztlich ersterben. Herzlichst! Etwas verschämt, aber trotzdem schmunzelnd.

​Urs Spielmann, www.denkbars.net 
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