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​Bitte  lesen Sie meine Kolumnen nur, wenn Sie gut drauf sind.

Obwohl ich mich meistens bemühe,
leicht und mundgerecht zu formulieren,
ist die Kost, die ich serviere,
​für Schlechtgelaunte oft schwer verdaulich.

Ich bin weder Anton Mosimann, noch Daniel Bumann und
schon gar nicht Andreas Caminada oder Franck Giovannini.

Ich schreibe für standfeste, Gegenwind erprobte,
knorrige Schwarzbuben ​und Schwarzmädels,
für Laufentalerinnen und Laufentaler

  und ähnlich herbe Basel-West Urgesteine.

.

Meine Buchstabensuppe ist nichts für überreagible Schöngeister.
​

Draussen vor der Tür

4/29/2020

1 Kommentar

 
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​​...oder drinnen im Knast


Kennen Sie ihn, den Roman «Draussen vor der Tür» von Wolfgang Borchert? Es ist ein Klassiker; ein Roman, der mich tief berührt und lebenslang begleitet hat. Im Grunde genommen ist er ein Protestschrei gegen die zerstörerische und verderbnisträchtige Macht des Krieges. Er handelt von den verheerenden Folgen des zweiten Weltkriegs im individuellen und gemeinsamen Menschenleben. Er beschreibt die brutale Rückkehr von Beckmann, einem 25-jährigen Wehrdienstpflichtigen, zurück nach Hause. In ein zu Hause, das ihn nicht mehr willkommen heisst, das ihn gar nicht will. Eine Gattin, die mit einem anderen Mann zusammenlebt. Eine Ehefrau, die Ihren einstigen Liebhaber nicht mehr kennt. Die in ihm nur noch den Kriegsversehrten sieht; den mit der zertrümmerten Kniescheibe; einen fahlen, ausgehungerten, seelisch geräderten und gesellschaftlich aussortierten Fremden. Sie lässt ihn draussen vor der Tür. Beckmann bleibt ausgesperrt. Ist asozial und unverträglich. Kein Essen, kein Bett, einfach nichts. Nur noch eine Zumutung für das Auge der Nichtkriegsteilnehmer.
 
Und die Frage, die er sich stellt: An Ort treten, weiter trampen oder abtauchen ins Wasser? Sich ersäufen, ab in die Ewigkeit; Gott suchen, den er schon lange nicht mehr gesehen hat. Mit ihm Zwiesprache halten, Klartext reden!
 
Ja, das war es in den Zeiten, als die Gewehre noch gerattert haben, die Kanonen im 24 h-Takt gespien und die Flugzeuge statt Lebensmittel, Bomben auf die Erde geschickt haben.
 
Doch in den letzten 75 Jahren hat sich das Bedrohungsbild grundlegend verändert. Die Menschen, die nicht an ihrem Elend zugrunde gegangen sind, haben sich wieder aufgerappelt. Haben schweisstriefend und kräftezehrend ihre Städte und Dörfer wieder aufgebaut. Wer von der betroffenen Generation noch arbeiten konnte, schuftete bis zum letzten Schnauf. Und die nächste Generation brachte zu Ende, was ihre Erzeuger angedacht hatten und heimste im ersten Anflug des aufkommenden Privatehrgeizes  den Erfolg ein.
 
Die Wirtschaft wuchs, man hatte zu essen, immer öfter sogar im Überfluss. Man setzte wieder Speck und Noten an. Die Geschäfte begannen um die Jahrtausendwende zu boomen. Der Mensch verlor jedes Maas. Vergass die gottgegebenen Gesetzmässigkeiten des Lebens. Mischte sich in die Natur ein. Forschte, probte, experimentierte. Klonte, weil er selbst zu feige war, sein Inneres und Äusseres seinem Eigenspiegel zur Schau zu stellen. Er wollte das All erkunden und andere Planeten erobern. Er erfand die Atombombe und andere schreckliche chemische Waffen und entsorgte problematische Materien skrupellos im All, im Meer und im fruchtbaren Boden, der uns ernährt.
 
«Wo bist Du geblieben, Gott?», meinte Beckmann nach dem Krieg, zu Hause draussen vor der Tür. «Warum hast Du nichts getan? Warum hast Du uns im Stich gelassen?»
 
Und heute? Hat Gott nun endlich gehandelt oder – wie vielerorts gemunkelt wird - hat wieder einmal eine sich selbst überschätzende Menschengruppe durchgedreht? War es ein neuartiges Attentat, dessen Wirkung abgrundtief unterschätzt wurde. Die ganze Welt lahmt irgendwo und irgendwie! Weltweit und global sind die Ampeln auf rot oder zumindest auf orange. Die Wirtschaft humpelt die, Börse lernt die Rutschbahn kennen, die Unternehmer suchen ihr Heil wieder in der Demut und das gewöhnliche Volk macht sich Gedanken über den wahren Sinn des Lebens.
 
Draussen vor der Tür ist endgültig vorbei! Hinter der Tür ist in! Die meisten sitzen daheim im Knast, vor allem die Alten, die Überreifen, die über 65-Jährigen. Damit wir uns recht verstehen: Ich habe überhaupt nichts dagegen. Ich finde die angeordneten Massnahmen sogar sehr sinnvoll. Aber am meisten gebeutelt werden wir, die Oldies. Wer über 65 Jahre alt ist, wandert vom Töpfchen ins Kröpfchen. Ausgangsrayon bis zum zur Haustür, im besten Fall bis zum Gartenhag oder bis zur nächsten Hecke. Keine sozialen Kontakte. Allenfalls noch Telefonate, wenn überhaupt. Sonst nichts! Keine Küsse, keine Umarmungen, ausser von meiner Mitinsassin. Kein wohlwollendes Gespräch unter Freunden. Aber mindestens 2m Abstand von Allen; auch denjenigen, die einem bisher am Nächsten standen.
 
Was lehrt uns das Corona-Virus? Beginnt schon bald ein neues Zeitalter? Hat sich gar ein bisher unbekanntes Massenvernichtungsmittel geoutet? Eine neuartige Bedrohungsform, ein neues Kriegsbild? Ich werde sehr nachdenklich und spüre, dass hinter der Tür eine Depression auf ihre grosse Stunde lauert. Bei mir allerdings ohne Chance!
 
 
Urs Spielmann


1 Kommentar
Walter Winteler link
4/30/2020 11:32:29 pm

Lieber Urs,
Habe heute morgen Deine Texte auf denkbars gelesen. Man merkt sofort, dass Du Dich mit jeder Ausgabe steigerst.
Weiter so, ich werde dabei bleiben und freue mich auf die nächste Ausgabe 👍

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